Im August 2014 hatten wir als ganze Familie Köhler die Gelegenheit, das Volk der Lakota und die Pine Ridge-Reservation in South Dakota kennenzulernen. Hier kannst du lesen, was wir erlebt haben.
„Nicht auf den Mund, nur auf die Wange!“, rief ich (Sabine) etwas erschrocken und überrascht zugleich, als ein kleiner Junge auf mich zugestürmt kam, auf meinen Arm hoppste und mich ungefragt auf den Mund zu küssen begann. Mit meinen Armen umfasste ich ihn reflexartig, seine Hose war nass … vom Schwimmen, so sagte er. Das waren meine ersten zwei Minuten im Rec-Center in Oglala.
Wie kann man das Reservat beschreiben? Es ist ein weites Land, dessen hügelige Prärie-Landschaft an alte Winnetou-Filme erinnert. Greifvögel drehen majestätisch ihre Runden, es gibt kaum Verkehr, das Leben wirkt entschleunigt, die Hektik des westlichen Alltags ist schnell vergessen. So viel zur romantischen Seite des Indianerlandes. So gut wie alle der eigentlich sehr schönen Landstücke sind eingezäunt und nicht öffentlich zugänglich. Das Essen in den wenigen kleinen Supermärkten ist unvorstellbar teuer. Außer Schulbussen gibt es keinerlei öffentliche Verkehrsmittel.
Eine andere Art der Not
Die vorrangige Not der „Native Americans“ besteht nicht in materieller Armut. Das große Dilemma auf den Reservationen ist die Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit, die sich mit der Sicht des Lebens verbindet. Wer über Generationen hinweg nur ein Leben von der staatlichen Wohlfahrt kennt, entwickelt kaum die Idee eines alternativen Lebenskonzeptes und den Glauben an die Möglichkeit, aus diesem Kreislauf auszubrechen. Geld wird entweder in Alkohol und Drogen umgesetzt oder aber für unnützen, kurzweiligen Luxus (Glücksspiel, Markenklamotten, Handys, Süßigkeiten etc.) ausgegeben. Ein langfristiges Planen, z. B. der Gedanke daran, dass während des harten Winters das Geld für Propangas reichen muss, fehlt. Die Schule wird, wenn überhaupt, oft nur unregelmäßig besucht. Schulabschlüsse, falls sie erreicht werden, bleiben von ihrem Niveau weit hinter dem US-amerikanischen Standard zurück. Die größeren Städte außerhalb des Reservats sind vielen Natives unbekannt. „Wo ist Deutschland?“, werden wir gefragt?
Überwältigend ist die zwischenmenschliche Armut. 15-20 Personen wohnen in einem kleinen Trailer-Home. Missbrauch ist keine Seltenheit. Viele Eltern, gefangen in Alkoholabhängigkeit, ersatzweise oft auch Großeltern, Onkel, Tanten oder ältere Geschwister, sind mit der Erziehung überfordert. Sich selbst überlassen bleiben die Kinder bis spät in die Nacht wach, schauen Filme, die nicht für ihr Alter gedacht sind. Nie sahen wir so viele traurige und hoffnungslose junge Gesichter. „Wir haben oft Alpträume und große Angst“, erzählen uns einige Kids. Geister sehen sie. Auf dem großen Wasserturm im Ort taucht oft „The tall man“ – „Der große Mann“ auf, ein Geist, der offensichtlich allen Indianern bekannt ist. Sabine betete mit dem kleinen Aaron auf seinen Wunsch hin. Andere Kinder liefen herbei und wollten auch beten.
So bestand unser Dienst neben dem täglichen Geschäft (beim Kochen und Aufräumen helfen, Putzen etc.) vor allem darin, Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen zu bauen, für sie ansprechbar und da zu sein und ihnen so Wertschätzung und Liebe weiterzugeben.
Es gibt Hoffnung
Das Rec-Center ist momentan ein Anlaufpunkt für ca. 50-70 Kinder und Teenager – manche von ihnen haben selbst schon Babys. Sie kommen täglich, um einfach ein bisschen Normalität zu erleben. Es gibt die Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen, was den vielen Diabetikern sehr gut tut, denn keiner hier spritzt sich Insulin oder achtet auf zuckerfreies Essen. Die Teenagermädchen machen gerne ein Schwätzchen und die Kinder freuten sich, wenn wir mit ihnen Karten spielten, sie auf Inlinern durch die große Turnhalle schoben oder unsere Rücken für den Transport zum Spielplatz zur Verfügung stellten. Die Mädels liebten es, sich von Elisa ihre Nägel lackieren zu lassen und auch Josias und Manuel waren vom ersten Tag an mittendrin im Geschehen.
Das kleine achtköpfige Team vor Ort bringt mit viel Opferbereitschaft und Ausdauer etwas Struktur in das chaotische Leben dieser jungen Menschen und erzählt ihnen von einem liebenden Gott, der sie geschaffen und einen Lebensplan für jeden einzelnen von ihnen hat. Dabei lernen die Kids biblische Prinzipien und Werte für die Gestaltung ihres Lebens und ihrer Beziehungen untereinander. Wir glauben mit diesen treuen Leuten, dass sich ihre Investition in diese nächste Generation auszahlen wird. An unserem vorletzten Abend durften wir als Familie dem Team mit einem „Ermutigungsabend“ einfach etwas Gutes tun. Wir kochten ein schönes Essen – Thüringer Klöße mit Gulasch. Im anschließenden Gottesdienst gaben wir einige ermutigende Inputs weiter und führten anschließend durch eine Anbetungs- und Segnungszeit, in der wir für die einzelnen Mitarbeiter beten konnten.
Durch zwei größere Einzelspenden war es uns möglich, auch ein ganz konkretes Projekt zu realisieren. Eine neue Soundanlage hat die veralteten, „sterbenden“ Lautsprecher und Kabel im Gottesdienstraum abgelöst. Da war großes Entzücken, als wir – nachdem Josias und Sebastian alles neue Equipment aufgebaut hatten – Musik über die neuen Boxen laufen ließen.
Ein dickes „Danke“ an dieser Stelle auch für alle Heizöfen-Spenden. 17 warme Lakota-Haushalte konnten wir mit eurer Hilfe finanzieren.
Im nächsten Herbst wird einer von uns, wenn Gott will, mit einem kleinen Team nach Oglala zurückkehren. Bist du dabei?
Einige Daten und Fakten über das Volk der Lakota und das Pine Ridge-Reservat in South Dakota
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